[Corona] Reanimation bei Covid-19 Patienten
H.Wittmann
Seltene, aber gefürchtete Komplikation bei einer Coronainfektion ist eine beidseitige Lungenentzündung, die rasch zu Lungenversagen (ARDS) und Sauerstoffmangel (Hypoxie) führt. So kann sich rasch ein Herzstillstand entwickeln, in einem Wolfsburger Pflegeheim wird von fehlenden Warnsymptomen berichtet. Noch vor wenigen Monaten forderten namhafte Wissenschaftler, auch in aussichtslosen Situationen Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen. Diese Forderung wurde bereits seinerzeit kritisiert. Denn Studien zufolge überlebt in einem Pflegeheim praktisch kein Patient ohne schwerste Hirnschäden eine Wiederbelebung, die meisten betagten Menschen würden sie gar ablehnen.
Aktuell gibt es erste Empfehlungen zur Wiederbelebung bei Covid-19-Erkrankung, die dem erheblichen Infektionsrisiko für das Personal Rechnung tragen sollen. So sollte mit der Wiederbelebung erst begonnen werden, wenn das Team die komplette empfohlene Schutzausrüstung trägt. Bereits diese Prozedur dauert mehrere Minuten, die Rettungschancen – zumindest für eine Rettung der Hirnfunktion – sinken hier dramatisch. Dabei werden bereits völlig inakzeptable Rahmenbedingungen formuliert. So soll ein Teammitglied auch ohne Schutz den Defibrillator anlegen, um Zeit zu überbrücken bis die übrigen Retter die Schutzkleidung angezogen haben. Die Gefahr der Virusübertragung ohne Schutzausrüstung bei Maßnahmen am Patienten ist derart groß, dass dieser Helfer fortan in Quarantäne müsste. Überdies ist bekannt, dass bei einem Herzstillstand durch Sauerstoffmangel kaum jemals eine Elektroschockbehandlung hilft. Doch auch unter Vernachlässigung dieser Tatsachen sind die Rettungschancen bei Herzstillstand durch eine Covid-19-Erkrankung minimal. Kombiniert man die ohnehin schlechte Aussicht einer Wiederbelebung nach Sauerstoffmange mit den schlechten Rettungschancen eines Covid-19-Lungenversagens, so ergibt sich, dass bei 1000 Herzstillständen nur weniger als ein Patient gerettet wird (0,87 Patienten/ 1000).
Bedenkt man aber, dass bei Rettungsbemühungen, Herzdruckmassage, Intubation, Beatmung ein Corona-Nebel (Aerosol) entsteht, wird der Retter durch eine Infektion via Atemwege oder Bindehäute gefährdet. Er müsste folglich nicht nur eine FFP3 Maske und Brille tragen, sondern ein Gesichtsvollschutz ähnlich einem Feuerwehrmann der in ein verqualmtes Gebäude geht. Es handelt sich hier nicht um theoretische Risiken, in Italien starben mittlerweile über 100 Ärzte. Dass dagegen nur 26 Pflegekräfte starben, weist deutlich auf die Gefahr durch die Intubation hin, die naturgemäß meist von Ärzten vorgenommen wird. Nimmt man also an, dass von dem zumeist 5köpfigen Rettungsteam sich nur einer infiziert, so lässt sich anhand der altersadaptierten Sterbeziffern errechnen, dass pro 1000 Reanimationen mehr als 2 Retter an einer Covid-19 Erkrankung sterben. Ein Patient überlebt mit zumeist schwerem Hirnschaden, zwei Retter sind tot. Mithin ist die Empfehlung zur Reanimation völlig absurd, wenn es auch noch heißt: „Bei nicht optimaler Schutzkleidung muss die Teamleitung eine Risikoeinschätzung unternehmen.“ Richtig müsste es heißen: Bei nicht vollständigen Schutzmaßnahmen – diese müssten Aerosolsicherheit garantieren – muss der Dienstherr Wiederbelebungsbemühungen bei Covid-19 Betroffenen untersagen. In jedem anderen Fall würde er eine schwere Dienstpflichtverletzung begehen.
Die Rechnung:
Wiederbelebungsaussicht bei durchschnittlichem Rettungsdienstpatienten (72 Jahre), Asystolie, außerklinisch 2,6% mit Klinikentlassung. Covid-19 Pneumonie: 97% Letalität bei Beatmungsnotwendigkeit (Zhou F et al. Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with COVID-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study. Lancet 2020; 9.3.20,
0,026*0,03 = 0,00087, Letalität Corona in der Altersgruppe 20-65 Jahre unter Annahme einer mortalitätsmindernden Dunkelziffer von 4: 0,205%)
Quelle: Matthias Thöns in Pflege Professionell (Open Source Fachzeitschrift für den Pflegebereich in Österreich)